Holocaust-Denkmal in Bukarest

Rumänien plant ein Denkmal für die mehr als 280 000 Holocaust Opfer, das nach einem Entwurf des siebenbürgischen Bildhauers Peter Jacobi in Bukarest entstehen soll, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Mit seinem Modell hat der bei Pforzheim lebende, 70-jährige Künstler die internationale Ausschreibung des rumänischen Kulturministeriums gewonnen. Die Grundsteinlegung soll zum Holocaust-Gedenktag am 9. Oktober 2006 erfolgen.

Kern des Projektentwurfs ist eine Skulptur in Form eines sieben Meter hohen, 10 m breiten und 15 m langen begehbaren, objektartigen Gebäudes, dessen Dach aus Metallbalken besteht, die in Abständen von ca. 7 m aufgereiht sind. Auf dem schwarzen Granitboden und den Seitenwänden, die ebenfalls aus poliertem grauen Granit bestehen, wird durch das eindringende Sonnenlicht ein Spiel von Licht und Schatten erzeugt. Die Lichtformationen werden von allen Innenflächen reflektiert, so dass eine illusionistische Räumlichkeit entsteht. Analog zum Lauf der Sonne herrscht ständige Bewegung vor. Auf diese Weise wird Zeitablauf physisch spürbar – damit auch assoziierbar die befristete, begrenzte Lebenszeit - „Lebenszeit, so Jacobi, „die diese Opfer nicht hatten“.

Dieser Entwurf war bereits 1980 in Berlin bei einem Wettbewerb für eine Gedenkstätte für die Opfer der Naziverfolgung prämiert worden. Das Bukarester Modell sieht komplementär zu dem Memorial-Gebäude auch eine Davidstern-Skulptur vor, ferner die skulpturale Darstellung eines Rades als Symbol für die von Angehörigen der rumänischen Armee verfolgten Roma: dokumentiert sind 11 000 Opfer. Eine 12 bis 20 Meter hohe modulare Säule, die den Platz markieren wird, soll die Verbindung des Irdischen mit dem Universum darstellen. Ein Symbol der Hoffnung. Zwei Reliefs aus Bodenplatten deuten in stilisierter Form eine endlose Straße an. Das zweite Relief ist gleichsam eine „Via dolorosa“ mit stilisierten Hinweisen auf jene Orte, an denen Pogrome stattgefunden haben.

Standort des Memorials wird ein etwa 50 x 55 Meter großes Areal im Herzen der Hauptstadt sein, am Ende der Calea Victoriei, vor dem Gebäude des ehemaligen Innenministeriums, von wo aus der seit 1940 diktatorisch herrschende Generalstabs- und Regierungschef Ion Antonescu die massenhafte Vertreibung und Verfolgung der rumänischen Juden wie auch der Roma ins Werk setzte. Mit seiner Entscheidung für ein nationales Holocaust-Memorial, gleichbedeutend einem markanten Schuldeingeständnis, setzt Rumänien unter den exkommunistischen Staaten gewiss Maßstäbe.

Bestätigung für 30-jährige Arbeit

Unter den 35 eingereichten Projekten entschied sich die hochkarätige Jury für das Modell Peter Jacobis, der diesen Erfolg gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung kommentierte: „Ich beschäftige mich seit dreißig Jahren mit der Thematik des Memorials. Vor allem mit der Findung neuer bildhauerischer Lösungen, die aus der heutigen Zeit stammen. So habe ich u. a. Gedenkskulpturen für Graf Schenk von Stauffenberg realisiert. In Bukarest erhalte ich die Möglichkeit, diese Werke in einem Staatsauftrag realisiert zu sehen.“

Die Errichtung eines Holocaust-Denkmals in Bukarest war bereits in der Amtszeit des rumänischen Staatspräsidenten Ion Iliescu projektiert worden in Kooperation mit dem 2005 von der rumänischen Regierung begründeten „Institut Elie Wiesel“, das die Arbeit der Internationalen Kommission zur Aufarbeitung des Holocaust in Rumänien fortführt. Der 9. Oktober wurde zum nationalen Holocaust-Gedenktag ausgerufen. An eben diesem Tag soll der Grundstein für das Holocaust-Denkmal gelegt werden. Obschon es noch keinen offiziell festgelegten Fertigstellungstermin gibt, könnte das Denkmal nach Jacobis Einschätzung voraussichtlich bis Anfang 2009 realisiert sein. Zunächst obliegt es dem Künstler, mit allen im Rahmen dieses Projekts zu beschäftigenden (rund 25) Firmen und Ämtern zu verhandeln zwecks Erstellung eines Gesamtangebotes, das Jacobi dem Kulturministerium vorlegen soll.

Peter Jacobi, 1935 im rumänischen Ploiesti geboren, studierte von 1954 bis 1961 Bildhauerei an der Bukarester Kunstakademie. 1970 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland. 1971 nahm er eine Professur an der Pforzheimer Fachhochschule für Gestaltung an, die er bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand 1998 innehatte. Der Künstler, der in Wurmberg bei Pforzheim lebt und arbeitet, erhielt mehrere nationale wie internationale Preise. 2005 wurde dem Bildhauer der Preis der Rumänischen Akademie der Wissenschaften im Bereich der Bildenden Künste verliehen für die retrospektive Ausstellung „Palimpsest“, die im Jahr 2002 in der Nationalgalerie in Bukarest präsentiert worden war. Seine Auszeichnung mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis nahm Peter Jacobi zu Pfingsten 2003 in der St. Paulskirche zu Dinkelsbühl entgegen.

Christian Schoger
Siebenbürgische Zeitung Online, 7. September 2006